Motivationsaufbau durch Objektspiele

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Freddy

Motivationsaufbau durch Objektspiele

Beitrag von Freddy » Mo 12. Apr 2010, 18:38

Hallo zusammen,

den Spielaufbau bei Objektspielen (z.B. mit Critter) hier zu erklären ohne Eure Hunde zu kennen oder den Rahmen des Forums zu sprengen ist fast unmöglich.

Ich will es aber zumindest ansatzweise versuchen. Manche Hundehalter denken Spiele sind "Mätzchen" oder sie meinen, sie würden sich für den Hund zum Affen machen. Ich sehe das anders.

Zunächst einmal sollten Spiele zweckfrei sein. Das stimmt natürlich nicht wirklich: Spielen ist Spaß und Sport, ist Lust und Motivation, ist Kommunikation und Erziehung, ist noch vieles andere mehr...
Viele Leistungen unserer Hunde wären ohne Spiele gar nicht möglich. Denkt nur mal z.B. an den Hund bei "Wetten das" der 250 Gegenstände differenzieren konnte...bei vielen Hunden liegt viel Potential brach, Spiele fördern unsere Hunde und machen sie intelligenter.

Spiele sollen immer in entspannter, angstfreier Atmosphäre stattfinden. Vertrauen und weiterer Vertrauensaufbau auf beiden Seiten ist wichtig und wird ebenso wie die "Bindung" zum Hundeführer durch viele Spiele gefördert.

Zunächst würde ich das Objekt, hier z.B. den Critter, für den Hund interessant machen. Bei Felix kann ich das sehr schnell erreichen indem ich das Objekt "selber unheimlich toll finde" und ihm das deutlich durch meine Körpersprache zeige. Hier ist Eure Fähigkeit gefragt, eine imaginäre Rolle zu "verkörpern". Glaubhafte Bewegungen, fast so wie Pantomime, und deutlich gezeigte Gefühle werden von fast allen Hunden gut und richtig verstanden. Kreativität und Fantasie sind für unsere Verwandlung gefragt. Da Felix sehr gut mit Beutespielen zu motivieren ist, habe ich einige Elemente der Jagdsequenz wie Lauern, Suchen, Nachjagen, Zufassen, Beutestreiten, Wegtragen, Totschütteln... in unser Spiel eingebaut.
Ich würde, nachdem das Interesse des Hundes geweckt wurde, beginnen den Critter zu "beleben". Z.B. könnte man ihn unter einer Decke verstecken, dort auch mal quitschen und sich bewegen lassen. Zwischendurch könnte der Critter mal vorsichtig unter der Decke hervorlugen um sich dann wieder zu verstecken. Kreativität ist gefragt. Währenddessen, nennen wir es mal "Vorspiel" sollte der Hund noch nicht die Möglichkeit haben an das Objekt seiner Begierde zu kommen. Ebenso sollte man versuchen "selber im Spiel zu bleiben" und mit dem MO "verwachsen". Im Idealfall schaut Felix abwechselnd zum Critter und zu mir auf Hände oder ins Gesicht...
Hilfreich kann es sein -Hund-MO-eigenes Gesicht- in eine Sicht-Ebene zu bringen...
Um Felix zu "bannen" benutze ich meine Hand mit der Innenseite zu ihm gestreckt...wie beim "Bleib da".
Von Anfang an sollten wir versuchen, dieses Vorspiel auszudehnen. Das fördert die "Gier" nach der folgenden Jagd und bringt uns in die Lage den Hund auch bei hoher Trieblage zu kontrollieren.

Nachdem wir den Hund ordentlich "angereizt" haben können wir zum Hauptspiel und evt. Nachspiel (fast wie im richtigen Leben ;) ) kommen. Ich habe als Hör-Signal "Los" oder "Pack es" gewählt. Nun jagt der Hund hinter der fliehenden Beute her. Tut er es nicht, haben wir was falsch gemacht oder es ist gar kein Terrier. Man sollte es aber dem Hund nicht zu leicht machen die Beute zu erwischen. Besondere Tüchtigkeit wird natürlich, bevor er aufgibt, irgendwann mit dem finalen "Zugriff" belohnt. Dann nur noch ein kurzer "Fluchtversuch" des Critters und zum Schluss das Wegtragen und Totschütteln der Beute....
Danach den Critter nicht zu lange beim Hund belassen evt. gegen ein Leckerchen oder anderes nicht ganz so tolles Spiel tauschen. Anschließend evt. noch ein neues Spiel und dann erstmal weg damit für ein, zwei Tage...Auch wieder wie im richtigen Leben:Wenn man jeden Tag drei mal Caviar essen muss, schmeckt er nach kurzer Zeit auch nicht mehr.
Ich spiele dieses Spiel auch kaum noch solitär, sondern nutze es oft als krönenden Abschluss einer Verhaltenskette. Beispielsweise erst "Sitz" und "bleib da"...dann eine Suchaufgabe, dann das Critterspiel...

Was ich hier versucht habe zu beschreiben, ist natürlich nur ein kleines Beispiel von vielen Spielmöglichkeiten und kann fast unendlich variiert werden. Ob es so für Euch und Eure Hunde passt müsst ihr selber herausfinden.
Zum Bewegen der Beute kann man natürlich später auch eine Spielangel oder evt. auch die Hundeleine nehmen, ebenso kann man natürlich auch die Spielobjekte variieren...

LG
Freddy mit Felix

PS: Heute war ich natürlich mit Critter im Wald...und auch ein Reh, oh weh :dog_huh ...Felix zog GsD den quitschenden Critter vor...sonst hätte ich auch diesen Bericht nicht geschrieben ;)

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Bettina
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Re: Motivationsaufbau durch Objektspiele

Beitrag von Bettina » Mo 12. Apr 2010, 18:56

Danke Freddy - ganz toll beschrieben! :clap: :cup :clap:

Liebe Grüße
Bettina
Das Beste am Norden....ist wieder komplett!

Carlotta und Curtis

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Für immer in unseren Herzen: Conrad und Amanda

sijuto

Re: Motivationsaufbau durch Objektspiele

Beitrag von sijuto » Mo 12. Apr 2010, 19:17

Hi Freddy,
super toll beschrieben - ich hab nur eine Anmerkung: Ich hab nun schon mehrere Airedales kennengelernt, die eine feinabgestufte "Prioritätenliste" in Sachen Spielzeug führen. Spielt man mit einem der Spielzeuge, die ganz oben auf der Liste stehen (und das tun die Critter zumeist) dann kriegt man sie spätestens nach wenigen Versuchen nicht mehr dazu, gegen ein schlechteres Spielzeug (der normale Ball) oder gegen nur ein Leckerchen zu tauschen.

Und zum stressfreien, tollen Spiel gehört natürlich auch, dass der Hund kein Problem damit hat, seine Beute wieder herzugeben. Deshalb würde ich von Anfang an mit mindestens zwei gleichen Spielzeugen (egal ob nun Critter) oder zumindest "gleichrangigen" Spielzeugen spielen ...

Viel Spaß und liebe Grüße
Silke

Freddy

Re: Motivationsaufbau durch Objektspiele

Beitrag von Freddy » Mo 12. Apr 2010, 19:39

Hallo Silke,

ich habe/hatte da vielleicht Glück mit meinen Hunden. Alle lassen und ließen zu 99% zuverlässig aus, ein Reflex ohne Stress. Sogar lebende Murmeltiere...aber das ist eine andere Geschichte...

Beigebracht habe ich das im Welpenalter, in der Hauptsache durch Beutetausch mit Leckerchen...vielleicht tauscht Felix deshalb auch Reh gegen Critter? :dog_biggrin

Aber Du hast recht, wenn man keinen "willigen Tauscher" hat, sollte man das Tauschobjekt verbessern...oder das Spiel abbrechen und warten bis das MO uninteressant geworden ist...

Bei uns ist oft ein "Fussballspiel" mit Felix im "Tor" das vorletzte Tauschobjekt (TO) ;) ...das allerletzte TO ist sein gefüllter "Abendnapf"...das klappt immer :dog_drink

LG
Freddy mit Felix

Gaby

Re: Motivationsaufbau durch Objektspiele

Beitrag von Gaby » Di 13. Apr 2010, 09:23

Freddy hat geschrieben: Sogar lebende Murmeltiere...aber das ist eine andere Geschichte...
jetzt machst du mich aber neugierig, erzähl doch mal....

liebe Grüße
Gaby

Freddy

Re: Motivationsaufbau durch Objektspiele

Beitrag von Freddy » Di 13. Apr 2010, 16:23

Hallo Gaby,

vor Jahren waren wir mit unserem AT Berry in den Südtirol zum Wandern. Im glaube, es war im Ridnauntal auf dem Weg zur Bremer Hütte. Berry lief ohne Leine vor uns her. In einem unübersichtlichen Geländeabschnitt mit Felsblöcken übersät, geschah es dann.
Wir hatten noch gar nicht bemerkt, das Berry zwischenzeitlich mal kurz "verschwunden" war, als er plötzlich hinter einer Felsnase wieder auftauchte....
Ich traute meinen Augen kaumBild, er hatte ein ausgewachsenes Murmeltier beim Nacken gepackt und kam "freudestrahlend" auf uns zu. Ich brülle panisch "AUS"... und tatsächlich ließ er das Murmeltier fallen und kam ohne Beute auf uns zugelaufen :brav .
Das Murmeltier hatte noch mal Glück gehabt, rappelte sich auf und verschwand unverletzt und unbehelligt hinter einem Felsblock...mein Puls war allerdings auf 180...

LG
Freddy mit Felix

PS: Der Beweis das Airedales die idealen Wildererhunde sind ;)

Eddi

Re: Motivationsaufbau durch Objektspiele

Beitrag von Eddi » Di 13. Apr 2010, 17:28

Hihi,

naja, wenn Murmeltiere schmecken....

Rough hat ähnliches mal bei Freunden veranstaltet: Wir guckten wegen großen Kinderaufruhrs (meine Freunde haben einen Kinderreiterhof) aus dem Fenster. Auf dem Reitplatz X Kiddis hinter Rough her, diese stolzgeschwellt ihre schwarze große Beute beutelnd (sanft) umhergerannt.
Bei näherem Schauen erkannten wir das vorletzte von 2 übrig gebliebenen Hühnern leblos im Hundemaul hängen. Fenster auf, "aaauuuuussss!!!", plumps, lebloses Huhn auf Boden, doch noch winzige Zucker machend, unglückliches Hundegesicht, traurige Kindergesichter. "Eddi mach dochwas!", ja toll, Wiederbelebung? Also zum Hunhn gestapft, aufgehoben und gedacht, wo entsorg ich das jetzt ohne die Kinderseelen weiter zu malträtieren. Tja, heilende Hände! Als ich es aufgehoben und ratlos gewendet hab fing das Huhn wieder an zu zucken, zappente koordinierter und konnte dann sogar laufen. Hatte noch nicht mal viele Federn gelassen und auch keine Löcher.
Rough -sonst unermüdliches Spieltier für dutzende Kinder- war für diesen Tag bei den Kids unten durch und mit mir auch beleidigt aber wenigstens starb das Hunhn nicht durch meinen Hund (ich glaub, nicht viel später ist es irgendeinem Nachbarköter in die Pfoten gefallen).

Vor ganz vielen Jahren hat meine Püppi einst den neuen großen und stolzen Hahn meiner Hühner erwischt und ihm den Rücken ratzfatz der Breite nach aufgerissen.
Natürlich wäre er nun schon fast pfannenfertig gewesen, aber wir hatten die Hühner zum Eierlegen und alle hatten Namen. Essen war nicht wirklich vorgesehen. Jedoch wäre keiner auf die Idee gekommen, mit sowas zum TA zu gehen. Naja, Handarbeit war zwar nicht meine Stärke, aber mit einer stabilen Nadel, viel Jod und Zwirn habe ich das Problem gelöst. Der Hahn bekam Nachbehandlung verordnet und ließ diese täglich über sich ergehen. Unser Pferdedoc hat sich scheckig gelacht, fand die Arbeit aber ganz ok. "Konstantin" hat sehr erfolgreich seine Hühner beschützt, fremde Tiere und Menschen griff er an, nur zu mir kam er und er genoß es sogar, gestreichelt zu werden. Ein paar Jahre später wurden sämtliche Hühner und die mittlerweile drei Hähne des Nachts von einer Mardermutter gekillt. Wir saßen im Stall zwischen Hühnerleichen und Federn und haben geheult, wie die Schloßhunde.
Äh, ich schweife ab..... :dog_ph34r

LG
Eddi
geht sich mal flott ein MO für die letzte Arbeitseinheit aufbrühen.... :dog_drink

Mischka

Re: Motivationsaufbau durch Objektspiele

Beitrag von Mischka » Di 20. Apr 2010, 18:37

Hallo,
ich bin nun auch im Antijagdtrainingsfieber. Was ein Wort :dog_laugh
Habe mir eine Reizangel angeschafft und eine Beute drangehängt. Unser Training macht Spass und bringt auch schon Erfolge. Allerdings habe ich mit dem verhältnismäßig engen Radius des Reizangelspieles meine Probleme. Man sollte also nur kurze Übungen machen. Dass Tempo ist groß und irgendwie kann das nicht gesund für die Knochen sein. Das empfinde ich auch immer dann, wenn ein Hund im vollen Speed einen Wurfgegenstand aufnimmt und sich beim stoppen fast überschlägt .

2 Posts zum Antijagdtraining mit Bildern habe ich in meinem Block http://www.airedale-baerchen.blogspot.com
Da ist auch das Reizangelspiel zu sehen. :dog_biggrin

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