letzter Einsatz 2009

Mantrailing, Rettungshunde, Jagd-, Polizei-, Therapie- und Begleithunde
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Kirsten
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letzter Einsatz 2009

Beitrag von Kirsten » Mo 4. Jan 2010, 19:15

Hallo!
Da ja Interesse an unserem letzten Einsatz im Jahr 2009 besteht, will ich Euch nun davon berichten:
Am 29.12.2009 war ich nach der Arbeit mit meinen 2 Hunden draußen und wollte mir danach einen gemütlichen Abend machen, doch so um 20.30 Uhr klingelte das Handy: EINSATZ! Wir sollten zur Verstärkung einer anderen Rettungshundestaffel nach HH-Poppenbüttel. Also wurde nix aus dem gemütlichen Abend, statt dessen warme Unterwäsche und rote Einsatzkleidung anziehen, Einsatzrucksack nehmen und dann mit Meiko zum Auto - Candy ließ ich im Plüschkorb daheim weiterschlafen, denn im Auto wäre es kalt beim Warten geworden. Im Auto erst einmal den Stadtplan anschauen: wo muß ich hin und wie fahre ich? Ich wählte nicht den kürzesten, aber schnellsten Weg - es wird wohl mal Zeit, daß ich mir ein Navi anschaffe... Ich kam gut und schnell nach Poppenbüttel, es waren schon Staffelkameraden da. Wir (unsere Staffel) sollte etwas entfernt vom Altersheim nach dem alten demenzkranken Mann suchen, da dort ein Mantrailerhund die Spur verloren hatte. Mir wurde Rüdiger als Suchgruppenhelfer zu geteilt - bei uns geht nie ein Hundeführer alleine in den Einsatz. Wir sollten an dem Poppenbütteler Weg 2 sehr große Firmengelände absuchen. Wir bekamen diese Suchgebiete, da der Poppenbütteler Weg eine 4 spurige Straße ist und die Autos da meist sehr schnell fahren ( eine Blitzanlage würde sich sicher lohnen...) und Meiko gut gehorcht und sich gut abrufen läßt. Doch beide Firmengelände waren sehr stabil eingezäunt und so bestand gar keine Gefahr, daß der Hund auf die Straße laufen konnte. Beide Gelände waren nur bei einer Auffahrt zugänglich und es gab jeweils einen Pförtner. Den ersten Pförtner weckten wir, als ich an die Glasscheibe seines Häuschens klopfte. Er hat selber einen demenzkranken Vater und wünschte uns viel Erfolg. Es war ein sehr gepflegtes Gelände und groß. Dort fanden wir niemand. Also zum nächsten Gelände. Dort sprachen wir auch mit dem Pförtner, den wir beim Lesen eines Erotikmagazins störten. Er war nicht begeistert, daß wir auf SEIN Gelände wollten, meinte aber, daß er es uns wohl nicht verbieten darf. Dort war alles viel unordentlicher, viel Gestrüpp, Müllhaufen usw. - aber auch dort fanden wir niemand. Also zurück zu unseren Autos. Auch die andern Staffelkollegen hatten den Mann nicht gefunden. Wir fuhren zurück zum Altenheim. Dort erfuhren wir dann, daß es eine sehr große Suchaktion war: 9 Rettungshundesstaffel vom BRH, DRK und ASB waren mit mehr als 40 Hunden im Einsatz und der Mann wurde nicht gefunden! Um 2.20 Uhr fuhr ich heim und war dann um 3 Uhr im Bett. Candy hatte wohl gar nicht gemerkt, daß wir weg waren - schlief noch im Korb. Ich hoffte nun, daß der alte Mann irgendwo im Altenheim ist, vielleicht in einem fremeden Bett schläft.
Um 6.10 Uhr rappelte der Wecker, denn ich mußte ja zur Arbeit. Ich war hundemüde, blieb noch kurz liegen, schlief noch mal kurz ein und erwachte wieder um 7.10 Uhr. Der Morgenspaziergang fiel dadurch etwas kürzer aus : war wohl nicht so schlimm, denn Meiko hatte in der Nacht genug Bewegung gehabt und die alte Sheltiedame will gar nicht sooo viel laufen.
Am 30.12. um 20 Uhr klingelte das Handy wieder: Einsatz! Es sollte nun gezielt nach der Leiche des alten Mannes gesucht werden, aber nur mit Hunden, die schon Leichen angezeigt haben und sich von der Silvesterknallerei nicht stören lassen - am Abend davor sind 2 Rettungshunde wegen der Knallerei auf die Straße gelaufen und es kam zu Unfällen - Hunde blieben unverletzt. Den Weg kannte ich ja schon und so sparte ich mir das Kartenstudium. Dieses Mal waren nicht mehr viele Hunde im Einsatz, es gab auch einige Staffeln, die es ablehnten zu suchen, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß der Gesucht tot ist (dann hätten sie den Abend vorher auch nicht suchen dürfen, denn bei den eisigen Temperaturen rechnete ich schon damit, daß der alte nur leicht bekleidete Mann nicht mehr lebt, hoffte aber ihn noch leben zu finden). Da wir aber so viele Menschen da waren, bekam ich 3 Suchgruppenhelfer (das sind Menschen ohne Hund). Nach 1,5 Stunden Suche bellte Meiko bei einem Müll/Schutthaufen - wir schauten genauer hin und fanden eine leblose Frau. Das wurde per Handy weiter gemeldet. Ein Notarzt stellte den Tot fest und dann war es Aufgabe der Kripo weiteres zu klären: wer war die Frau und wie kam sie ums Leben, Fremdverschulden? Ich war dann jedoch sehr erstaunt, daß nun der ganze Einsatz abgebrochen wurde - der Mann war doch noch nicht gefunden!
Bis jetzt wurde der alte Mann nicht gefunden und ich weiß nichts näheres über die tote Frau - es war Meikos 6 Tot-Fund.
So, das war nun recht ausführlich und hoffentlich nicht zu lang :wave:
Tschüß Kirsten

sijuto

Re: letzter Einsatz 2009

Beitrag von sijuto » Mo 4. Jan 2010, 21:00

Hi Kirsten,
das gibt es doch gar nicht! Tolle Arbeit hast Du da mit Meiko geleistet.
Ich weiß von den Johannitern, dass dort auch keine Totsuchen durchgeführt werden (wenn diese als solche deklariert werden) - hat was mit dem Organisationszweck zu tun (den Lebenden zu helfen) ...
Liebe Grüße
Silke

PS. Da hat das alte Jahr ja für Euch heftig geendet!

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Re: letzter Einsatz 2009

Beitrag von Susa » Mo 4. Jan 2010, 23:14

Hallo Kirsten,

mir fehlen die Worte... Dass ich Euch und Eure Arbeit bewundere habe ich ja schon ein paar Mal geschrieben, aber jetzt bin ich sprachlos und kann nur sagen "Hut ab" vor Dir und Meiko.

Dass der alte Mann noch gefunden wird, das wünsche ich aus tiefstem Herzen!

Lieben Gruß von Susa
...mit Indy im Herzen

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Re: letzter Einsatz 2009

Beitrag von Bettina » Di 5. Jan 2010, 09:50

Hallo Kirsten,

ich war ja neulich schon komplett sprachlos und auch bei der jetzigen Lektüre lief mir wieder ein kalter Schauer den Rücken runter.

Seid Ihr eigentlich noch in psychologischer Art zusätzlich ausgebildet, um mit solchen Funden umgehen zu können, oder wird da von vornherein "ein dickeres Fell" vorausgesetzt bzw. legt man es sich zu?

Liebe Grüße
Bettina
Das Beste am Norden....ist wieder komplett!

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Re: letzter Einsatz 2009

Beitrag von Kirsten » Di 5. Jan 2010, 13:10

Hallo!
Es gibt sogenannte psychologische Nachbeträuung, wenn es erwünscht ist.
Ich will nicht behaupten, daß ich ein besonders dickes Fell habe, aber bis jetzt habe ich alles recht gut verarbeitet. Ich finde es besser, daß wir die Frau gefunden haben und kein spielende Kinder. Bis jetzt sahen "unsere" gefundenden Toten noch ganz gut aus. Aber keiner weiß, wie man den nächsten Einsatz wegsteckt.
Ich versuche mich damit zu entlasten, daß ich an den Umständen der tot aufgefundenen Personen unschuldig bin.
Mich entsetzen oft mehr die "Randbegebenheiten": so die Gleichgültigkeit und Loslosigkeit der Polizisten und teils der Zuschauer, z.B. bei der Zugkatastrophe in Eschede ( der damalige Ministerpräsident Schröder und die vielen Leichenwagenfahrer, die nahe an den Zugwagons laut sich Witze erzählten usw.).
Aber man denkt schon öfter daran: was ist mit der Frau passiert und wo ist der Mann????
Ich verstehe nicht, wieso nach dem Fund der Frau der gesammte Einsatz abgebrochen wurde? Ein Freund meinte: die Polizei wollte keine weitere Leiche haben...
Tschüß Kirsten

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Re: letzter Einsatz 2009

Beitrag von Kirsten » Di 5. Jan 2010, 13:22

Hallo!
Noch ein Nachtrag: wir werden auch darin geschult, Einsätze gut zu "verdauen" und auch zu erkennen, wenn ein Staffelkollege doch Probleme hat und ihm zu helfen oder für Hilfe zu sorgen.
Aber Prof. Ungerer hat mal die Helfer nach Erdbebeneinsätzen psychologisch untersucht und festgestellt, daß alle Hundeführer alles viel besser überstanden haben als andere.Z.B. gilt es für viele Männer als schwach und uncool, wenn Mann weint - fast alle THW-Helfer im Ausland sind Männer...
Doch der Hund lacht seinen Hundeführer nicht aus, sollte er etwas weinen; außerdem baut fellstreicheln Streß ab und dadurch, daß man sich um seinen Hund kümmern muß ist man beschäftigt und auch abgelenkt.
Tschüß Kirsten

dogkiki

Re: letzter Einsatz 2009

Beitrag von dogkiki » Di 5. Jan 2010, 15:56

Liebe Kirsten,

danke für Deinen Bericht und die nachstehenden Erläuterungen! Ich ziehe ebenfalls meinen Hut vor Dir und Meiko. Ihr seit ein tolles Team und ich wünsche Euch weiterhin alles Gute miteinander!
Wenn alles klappt, werde ich demnächst eine Probezeit bei einer RHS antreten und bin auf diese Zeit gespannt wie ein Flitzebogen. Ob ich allerdings die Nerven für solche Erlebnisse, wie von Dir berichtet habe, wird sich erst noch rausstellen. Wie gesagt, ich habe großen Respekt vor Dir !
Dass unsere Wauzis auch im Alltag gute Seelentröster sind, wissen wir ja . Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass Rettungshundeführer im Vergleich zu anderen Rettungskräften, sozusagen ihren persönlichen Schutzengel bei sich haben und somit einen psychologischen Vorteil haben.

Alles Liebe ,
Kirsten mit Lotte (dem Engel mit der Strubbelnase)

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Re: letzter Einsatz 2009

Beitrag von Kirsten » Do 7. Jan 2010, 13:15

Hallo!
Eben habe ich erfahren, daß der gesuchte alte Mann tot in einem Verschlag bei einer Treppe auf dem Altenheimgelände von einem Haustechniker aufgefunden worden ist.
Dabei hieß es, daß Altenheimgelände wurde vom Personal und Rettungshunden mehrfach gründlich abgesucht.
Tschüß Kirsten

dogkiki

Re: letzter Einsatz 2009

Beitrag von dogkiki » Do 7. Jan 2010, 13:25

Hallo Kirsten,

das ist eine sehr traurige Geschichte :cry:
Es tut mir leid für die beiden Menschen, die so einsam gestorben sind.

Liebe Grüße an Dich und Meiko!
Kirsten mit Lotte

Freddy

Re: letzter Einsatz 2009

Beitrag von Freddy » So 7. Feb 2010, 12:28

Hallo Kirsten,

ich habe gerade erst Deinen Bericht gelesen. Wieder eine tolle Leistung von Dir und Meiko...ihr seid wirklich ein gutes Team :thumbup: .

Mich würde nun noch interessieren wie das mit dem Mantrailerhund war. Er hatte, so wie Du geschrieben hast, scheinbar die Fährte verloren, hast Du eine Ahnung woran das gelegen haben könnte?
War er überhaupt auf der richtigen Trail? War zu diesem Zeitpunkt die gesuchte Person schon tot?

Danke für Deinen Bericht, immer wieder interessant zu lesen, und auf gar keinen Fall zu lang.

LG und einen extra-Knuddler für Meiko,
Freddy mit Felix

PS: @ die "andere" Kirsten: Viel Erfolg mit Lotte beim RHS. Möchtest Du Flächensuche oder Mantrailing machen?

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