Erlebnisse beim Sucheinsatz

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Kirsten
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Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von Kirsten » Do 26. Aug 2010, 19:14

Hallo!
in den letzen 4 Wochen hatten wir 6 Realsuchensätze, meist nachts.
Bei einem Einsatz sollte ich mit Meiko eine Kleingartenanlage nach einem jungen Mann absuchen, der dringend medizinische Hilfe brauchte. Wir sollten nur die Gärten absuchen, wo die Gartentüren nicht verschlossen waren - aber es waren fast alle Gärten offen. In einem Garten fand Meiko ganz viel Spielzeug und brachte mir fast alles und wollte dann, daß ich mit ihm spiele - ich sagte ihm aber: such Mensch und kein Spielzeug! In einem Garten suchte er auch intensiv, ging dann zu Gartenlaube, schnüffelte an der Türritze, wedelte freudig mit der Rute ( das 1. Zeichen, wenn er jemand gefunden hat) und dann sagte er "wau-wau". Ich war schon zu Tür gegangen, faßte an die Türklinke und öffnete die nicht verschlossenen Tür und leuchtete mit meiner hellen Taschenlampe hinein. Dann gab es einen sehr lauten Schrei einer Frau - mein Suchgruppenhelfer kam angerannt, weil er dachte, wir hätten einen Erhängten gefunden. Nein, ich leuchtete einer ca. 60 Jahre alten Frau auf dem Sofa ins Gesicht - sie rüttelte an dem Mann (wohl Ehemann) neben sich. Ich sagte dann: ich bin kein Einbrecher! Die Frau bekam "Egon" nur schwer wach. Egon war mürrisch und wollte weiterschlafen - tolle Hilfe für die Frau! Die Frau war entsetzt, weil ich Meiko lobte :brav . Ich klärte sie dann auf, daß wir von der Rettungshundestaffel sind und einen jungen Mann suchen. Dann war ihre größte Sorge, daß wir jemand verraten, daß sie öfter mit ihrem Mann in der Gartenlaube übernachten - darf man dort nicht. Ich versprach sie nicht zu veraten und wünschte eine gute weitere Nachtruhe und schlug vor, vielleicht Gartentür und Laubentür abzuschließen.
Es waren noch mehre Lauben nicht verschlossen und weil Meiko so intensiv an den Türen schnüffelte, öffnete ich die Türen. Als Einbrecher hätte ich dort gute Beute machen können.
Leider bekamen wir bis jetzt keine Info, ob der junge Mann aufgetaucht ist - wir fanden ihn nicht.
Ein anderer Einsatz hat mich etwas mehr mitgenommen: es wurde eine 19 Jahre alte schwangere Frau gesucht. Ihr türkischer Freund wollte nach seinem Urlaub nichts mehr von ihr wissen, er wollte nur seinen Spaß haben, die Eltern der jungen Frau wollten auch nicht helfen: sie hat selber Schuld, wenn sie sich mit SOOO WAS einläßt. Tja, die Frau wurde leider tot gefunden...
Auf der Heimfahrt Sonntag vom letzten Einsatz - es war schon 1 Uhr nachts und ich sooo müde - bremste der Fahrer vor mir und machte sein Warnblinker an. Ich dachte: was will der denn und fuhr an ihm vorbei. Da sah ich, daß ein Mensch auf der Straße auf den Knien kroch. Ich hielt an und wollte dem Mann helfen, der aber ins Gebüsch flüchten wollte, aber hinfiel. Der Fahrer des andern Autos fragte, ob er doch noch die Polizei rufen sollte - ich hatte ja noch meine rote Einsatzkleidung an. Gleich danach kam die Polizei. Es kam herraus, daß dieser Mann von Freunden gesucht wurde und er war entweder totall besoffen oder unter Drogeneinfluß. Zur Sicherheit kam er ins Krankenhaus :dog_ill . Ich war dann froh in mein Bett fallen zu können.
Der Einsatz vom Sonntag ging Montag weiter - aber ohne uns, da ich nicht von der Arbeit weg konnte. Der Mann wurde dann aber nach langer Suche noch lebend gefunden, als er gerade sich die Pulsadern aufschneiden wollte.
Tschüß Kirsten und Meiko

sijuto

Re: Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von sijuto » Do 26. Aug 2010, 21:43

Hi Kirsten,
Danke für die Einblicke in Deine, ehrenamtliche, engagierte, zeitaufwendige und teilweise auch sehr belastende Arbeit mit Meiko. Nicht nur Meiko, sondern auch Du musst da einiges bewältigen und leisten, Hut ab! Ich wünsche Dir weiterhin gute Nerven und viel Spaß und Erfolg bei dieser so sinnvollen Beschäftigung und stellvertretend für andere, vielleicht auch hier mitlesende Rettungshundeführer möchte ich auch mal Danke sagen - es ist nicht selbstverständlich, es ist nicht leicht und manches wird einem nie wieder aus dem Kopf gehen. Für diese Erlebnisse wünsche ich Dir gute Gesprächspartner, um die verschiedenen Eindrücke auch verarbeiten zu können.
Einen Knubbler an Meiko, meinem Lieblingsrettungshund und
liebe Grüße
Silke

Freddy

Re: Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von Freddy » Do 26. Aug 2010, 22:04

Hallo Kirsten,

ich schließe mich Silke an: Hut ab!

Schön dass Du uns davon berichtest. So bekommt man einen ganz kleinen Einblick in die Rettungshundearbeit.

LG und einen großen "Knuddeler" an Meiko,

Freddy mit Felix

TerrierLady

Re: Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von TerrierLady » Do 26. Aug 2010, 22:06

Auch von mir Hut ab !!! Bewundernswert !!!

Aber auch absolut kein Ding für mich - da ich immer Angst hätte vor dem was ich ev. auffinden würde . . . . .

Gruß Ulrike

redchili

Re: Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von redchili » Do 26. Aug 2010, 22:36

Hallo Kirsten,

auch ich werde immer ganz demütig vor den Leistungen von Euch beiden. Das kann ich gar nicht in Worte packen. Ganz, ganz toll!

Und wenn man dann noch bedenkt, dass viele Hunde in Meikos Alter schon auf dem Altenteil sitzen ... einfach spitzenklasse. Ich hoffe, es geht ihm noch lange richtig gut!

Viele Grüße,
Antje mit Luzie

PS. Ich habe gesehen, Meiko hat die KLFP-Quali? Startet Ihr?

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Kirsten
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Re: Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von Kirsten » Fr 27. Aug 2010, 13:06

Hallo Antje!
Ja, ich habe vor mit Meiko bei der KFSP zu starten - mein Senior ist doch noch fit und hat Spaß an der Fährtenarbeit - aber leider interessiert ihn nebenbei auch einiges neben der Fährte und das kostet dann Punkte. Aber ich gehe an die Prüfungen nicht sooo verbissen dran wie einige andere Starter, für mache bricht schon die Welt zusammen, wenn es "nur" 90 Punkte z.B. werden.
Da wir in der letzten Zeit öfters nachts Einsätze hatten, bin ich immer über eine ruhige einsatzfreie Nacht froh.
Tschüß Kirsten

Rover

Re: Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von Rover » Fr 27. Aug 2010, 14:59

Hallo Kirsten,

was Ihr da macht, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ganz toll!
Und dann, nach so einer Nacht, früh auf Arbeit - wie hältst Du das durch? Ich bewundere das.

Wirst Du von der Arbeit mitunter auch freigestellt, wie es z.B. bei der freiwilligen Feuerwehr ist? Das wäre ja eigentlich angebracht.

Viele Grüße, Kerstin

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Kirsten
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Re: Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von Kirsten » Fr 27. Aug 2010, 19:10

Hallo!
Also eine schlaflose Nacht wegen eines Einsatzes kann ich eigentlich ganz gut wegstecken, aber wenn dann in der nächsten Nacht wieder ein Ensatz kommt, dann geht es an die Substanz - eine 3. Einsatznacht hintereinander würde ich nicht schaffen. Meiko hat es da ja besser, denn er kann gut schlafen, während ich arbeite.
Ja, ansich hätte man Anspruch auf Ruhezeit nach einem Einsatz, aber um den Arbeitsplatz nicht zu gefärden, bestehe ich nicht darauf. Ich konnte aber auch schon ab und zu mal von der Arbeit weg, um zum Einsatz zu gehen. Das muß man von Fall zu Fall sehen, ob man es regeln kann.
Ich weiß, daß viele freiwilligen Feuerwehrleute große Probleme mit ihren Arbeitgebern wegen Einsätzen in der Arbeitszeit haben und sie pochen daher nicht auf ihren Anspruch auf Ruhezeit. Die Arbeitgeber wollen natürlich, daß ein Feuer ihres Hauses sofort gelöscht wird, aber ihren Angestellten frei stellen, damit sie woanders löschen - das wollen einige nicht. Aber viele feiwillige Feuerwehrleute haben sehr viele Einsätze, oft Hilfeleistungen z.B. nach Autounfällen.
Aber, wenn man einen Gesuchten bei einem Einsatz findet - das freut einen sehr und spornt neu an. Dabei ist es egal, ob mein Hund oder der Hund eines Staffelfreundes findet .
Leider wird in der Presse von den "unspektakulären Flächensucheinsätzen" kaum berichtet.
Tschüß Kirsten + Meiko

Heidemarie

Re: Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von Heidemarie » Sa 28. Aug 2010, 17:16

Hallo Kirsten,

es ist sehr bewundernswert, was Du da für die Allgemeinheit leistest und Meiko natürlich auch.

Du hast Recht, wenn Du sagst, daß diese Fälle in der Presse nicht sehr oft erscheinen, das finde ich sehr schade, denn was wäre, wenn es solche Menschen und Hunde nicht gäbe, die alles freiwillig in ihrer Freizeit machen, so wie auch die Feuerwehr und so viele andere ehrenamtliche.

Man hat es ja in Griechenland gesehen, was da passiert ist, da gibt es keine freiweillige Feuerwehr.

Ich finde auch bei den Arbeitgebern müßte hier ein umdenken erfolgen.

Aber was Du alles erlebst, ist bestimmt nicht so leicht zu verarbeiten, Hochachtung.

LG
Heidi :sign_danke

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ChristaS
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Re: Erlebnisse beim Sucheinsatz

Beitrag von ChristaS » Sa 28. Aug 2010, 17:52

Hallo Kirsten,

auch von mir größte Hochachtung vor deinem und Meikos Ehrenamt!

Ich freue mich immer, Berichte über eure Erlebnisse zu lesen und habe auch schon öfters feuchte Augen bekommen... Danke dafür!

@ Heidi: Eine Kollegin von mir arbeitet auch in einer Rettungshundestaffel (früher Hamburg, jetzt Lüneburg) und wird bei Einsätzen ganz selbstverständlich kurzfristig vom Dienst freigestellt. Vielleicht ist es im öffentlichen Dienst/bei Beamten einfacher?

Ich finde es sehr bedauerlich, dass Arbeitgeber da nicht kulanter sind. Schließlich kann jeder einmal in eine Situation kommen, wo ehrenamtliche Helfer nötig sind.

Liebe Grüße,
Christa
... mit Butzi, Olympia und Laima im Herzen.

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