Kriterien

rb_MadDog
Benutzer
Beiträge: 125
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_MadDog » Sa 11. Okt 2008, 22:33


Danke Cap und Rainer. Ihr scheint zu verstehen, was ich sagen möchte.


@ Lutz


Herrn Müller habe ich hier ebenfalls liegen (auch einen Herrn Most u.ä.), allerdings besitze ich den Titel "Vom Welpen zum idealen Schutzhund". Ich kann mich nicht entsinnen, dass die von Dir angeführten Definitionen dort zu finden sind. Vielleicht hab ich es erfolgreich vergessen, vielleicht sind sie in diesem Buch nicht zu finden. Ich muss sagen, dass mir Müllers Schreibstil gefällt (auch der von Most u.a. "alten Meistern")und ich immer wieder fasziniert bin, wie viel sie damals schon zum hündischen Verständnis in Worte fassen konnten. Selbst in über 50 Jahre alten "Abrichtelehren" kann man viel davon lesen, was für uns heute selbstverständlich ist damals aber revolutionär anmutete.


Du siehst, ich bin den "alten Meistern" durchaus zugetan, habe sie in meinem Bücherregal und lese immer wieder gerne darin. Eines muss man sich jedoch bei aller Freude über deren Lehre in Erinnerung rufen: Die Bücher sind 40 Jahre und älter!!! D.h. dass das Wissen, was wir heute haben damals noch gar nicht existierte. Das meiste ist aus persönlichen Beobachtungen, viel Bauchgefühl und einem guten Denkapparat entstanden. Es ist nicht alles falsch was in diesen Büchern steht, aber grade Triebformen- und verhalten sind überholt. Insbesondere in den letzten 10 Jahren gibt es rasante Fortschritte und überraschende Ergebnisse in der Hundeverhaltensforschung und manches wurde über den Haufen geworfen, was Jahrzehnte als gut und richtig galt. Aus diesen Informationen müssen wir gezielt schöpfen und alte Kamellen in den Hinterkopf schieben und mit den neuesten Erkenntnissen arbeiten. Die "alten Meister" müssen wir deshalb nicht verbannen, nur aufmerksamer lesen und alt und neu optimal miteinander verbinden.


Fangen wir also von vorne mit den Erkenntnissen des Jahres 2008 an. Wie es 2018 oder 2028 ausschaut werden wir in der Zunkunft sehen. Vielleicht ist das heutige dann auch schon wieder überholt


In der heutigen Schutzdienstausbildung von Sport- und Diensthunden entfernt man sich immer mehr von den alten Triebschematas. Sie sind zu starr und können nicht ansatzweise die Konstitution und Kondition des hündischen Wesens erklären. Falls weiterführendes Interesse daran besteht, kann ich das Buch "Neue Wege der Polizeihundausbildung" von Thomas Baumann empfehlen. Dort ist eine recht gute Erklärung zu finden, wie man heute das Wesen eines Hundes erfasst. Da liest man von Reizschwellen, Phlegmatikern und einer Menge mehr. Das lässt erahnen, wie komplex die Materie ist und man mit den alten Trieblehren nur die Spitze des Eisberges ankratzt. Ein tieferes Verständnis erhält man jedoch nur, wenn man sich an den Fuss des Eisberges begibt und ihn systematisch mit all seinen Facetten erklimmt. Alles andere ist lediglich eine oberflächliche Interpretation und wird der Vielfältigkeit des hündischen Wesens absolut nicht gerecht.


Es gibt 3 Triebkreise, denen sämtliche Verhaltensweisen zugeordnet werden. Die Verhaltensweisen werden durch Instinkt geleitet bis das Triebziel erfüllt wird. Man kann sich das ähnlich wie ein Auto vorstellen. Der Trieb ist der Motor und treibt den Hund vorwärts, der Instinkt steuert den Hund in die Richtung und die Aggression ist der Brennstoff, der den Motor am Laufen hält. Bis hierher ist es noch recht einfach.


Triebkreis 1 ist der Sexualtrieb. Dazu gehört Paarungsverhalten, Brutpflege - und Aufzuchtverhalten sowie Meuteverhalten. Konstitutelle Wesensveranlagungen wie Nervenkostüm, Umweltsicherheit u.ä. gehören allerdings nicht zu den Triebkreisen. Auch nicht die Subordinationsbereitschaft oder die individuelle Expansionstendenz.


Triebkreis 2 ist der Ernährungstrieb. Durch Jagdverhalten (aufspüren, stöbern, hetzen, stellen) und Beuteverhalten (ergreifen, töten, wegtragen, fressen) wird dieser befriedigt.


Triebkreis 3 ist der Selbsterhaltungstrieb. Im Falle einer Bedrohung stehen dem Hund verschiedene Strategien zur Problembewältigung zur Verfügung. Er kann erstarren, zeigt Meideverhalten, Übersprungsverhalten oder kämpft. Das Wehrverhalten ensteht ausschliesslich aus einer verkürzten Fluchtdistanz. Hunde die starkes Meideverhalten zeigen können entsprechend konditioniert ein ebenso starkes Wehrverhalten zeigen.


Egal um welchen Hund es sich handelt, er besitzt alle Triebe. Aber damit sind wir noch nicht beim Wesen des Hundes. Das Wesen des Hundes setzt sich aus den 3 Triebkreisen zusammen. Dieses Triebverhalten ist jedoch je nach Rasse oder Selektion unterschiedlich stark ausgeprägt. Hinzu kommen die konstituellen Charaktereigenschaften, die durch Prägung, Aufzucht, Erfahrungen usw. erworben werden. Das Wesen des Hundes ist also eine Verbindung von Trieben und erworbenen Charaktereigenschaften, die zu einem Teil von uns beeinflusst werden.


Wer bis hierher durchgehalten hat, versteht jetzt, dass man mit dem bisschen Trieblehre von anno Dunnepief nicht wirklich weiterkommt, wenn man die vielen Facetten eines Hundes erfassen und begreifen will.


Wie oben schon angedeutet, gibt es keinen Wehrtrieb. Hunde haben eine bestimmte innere Sicherheit oder auch Unsicherheit. Wird das Leben des Hundes bedroht bzw. fühlt er sein Leben bedroht, wird er sein Heil in der Flucht suchen. Wird dem Hund die Fluchtmöglichkeit versagt, bleibt ihm nur noch die Flucht nach vorne und er kommt ins Wehrverhalten. Natürlich kann man dem Hund den Weg ins Wehrverhalten auch beibringen, indem man sich die vorige Ausführung ausbilderisch zu nutze macht. Wehrverhalten resultiert also aus einer verkürzten Fluchtdistanz oder einem beigebrachten Verhalten.


Irrtümlicherweise wird das Wehrverhalten als Gegenpol zum Beutetrieb wahrgenommen, da ein Hund sowohl im Beute- als auch im Wehrbereich gearbeitet werden kann. Das Wehrverhalten ist jedoch kein Gegenpol, da dieses Verhalten in allen 3 Triebkreisen gezeigt werden kann, wenn es nötig ist.


Wehrverhalten entwickelt sich nicht im Alter von 6 Monaten sondern etwa zwischen 18 Monaten und 3 Jahren. Das, was der Hund mit 6 Monaten zeigt gehört oft in die sogenannte Fremdelphase, wenn der Hund plötzlich gewohnte Dinge meidet oder diese lautstark verbellt. Erfahrungsgemäss ist das Nervenkostüm eines Hundes recht dünn, wenn er extrem zu meiden anfängt oder Übersprungsverhalten zeigt. Fatalerweise gehen viele Leute her und unterstützen das Übersprungsverhalten unangemessen und brüsten sich später mit ihrem vermeintlich scharfen Hund. Letztlich steht dort ein dummer Mensch mit einem bedauernswerten Hund an der Leine, der sich alles andere als wohl und sicher fühlt. Aufmerksamen Lesern ist auch aufgefallen, dass sich das Wehrverhalten erst dann entwickelt, wenn der Hund anfängt mental erwachsen zu werden. Alles andere was vorher stattfindet ist Fassade, die ein erfahrener Hundemensch ganz schnell ins bröckeln bringen kann und am Ende steht dort ein zitterndes Häufchen Elend, das sich in Extremfällen einnässt und einkotet.


Der sogenannte Schutztrieb existiert nicht. Wenn ein Hund anfängt zu verteidigen, dann ist das eine rein egoistische Handlung. Er verteidigt sich selber, seine Stellung oder Ressourcen. Eine Hündin, die ihren Wurf verteidigt, verteidigt trocken gesagt eine Ressource. Es gibt Hunde, die gerne schlichten und aufgrund ihrer "Meidearbeit" (umgehen von Spannungen innerhalb der Gruppe) entweder selber gebissen werden oder beissen. Es gibt Raufer, die Spass am Kampf haben und deshalb beissen. Und es gibt Hunde, die aus Unsicherheit heraus beissen (oben angeschnitten). Alle diese Hunde arbeiten aber nicht in Selbsterhaltungsbereichen sondern zeigen erlernte Verhaltensweisen oder eine charakterliche Veranlagung.


Der "echte" Schutzhund hat keine feindseelige Grundstimmung sondern ist ein Hund mit hoher Selbstsicherheit, ausgeprägtem Beuteverhalten und ausgeprägter Kampflust. Die Aggression als Antrieb ist ausgeprägt und der Hund arbeitet ernsthaft und dominiert das Geschehen. Auch diese Hunde arbeiten nicht in der Selbsterhaltung. Bei diesen Hunden kann man Kampflust und ansprechbare Wehrbereiche klar in Beuteverhalten kanalisieren. Mal am Rande erwähnt: Auch dem niedlichsten Schosshund kann ich eine feindseelige Grundstimmung antrainieren. Aber dieser Hund wird bei wirklich psychischer Belastung ebenso zusammenbrechen wie sein "scharf gemachter gosser Bruder". (s. Ausführung zu Junghunden in der Fremdelphase)


Wie sieht es denn jetzt mit Sport- oder Diensthunden aus? Sporthunde werden sowohl in Beute- als auch Wehrverhalten gearbeitet. Es wird häufig etwas anderes behauptet, weil man Wehrverhalten mit Aggression gleichsetzt. Es sollte jedoch klar geworden sein, dass jedes Lebewesen Aggressionen besitzt und diese zum Überleben sogar benötigt. Fatal wird es, wenn der Helfer nicht weiss, was er tut und nicht aus dem Wehrverhalten wieder ins Beuteverhalten führt. Oder das Wehrverhalten dergestalt stümperisch versucht anzusprechen, dass der Hund völlig verstört aus dem Ärmel fällt und sein Heil in der Flucht sucht. Das waren übrigens die Phasen (gibt es heute leider auch noch), wo man hörte, wie Hunde auf Plätzen im Schutzdienst zu seelischen Krüppeln gemacht wurden. Bedauerlich für die betroffenen Hunde und es zeigt, wie wenig mancher Helfer wusste und auch heute noch nicht weiss. Ehrlicher wäre es, seelisch instabile Hunde aus dem Schutzdienst zu nehmen statt sie zu Beutelutschern hochzuloben. Aber - das ist ein Thema für sich. Furchtbar wie man hier von einem Thema aufs andere kommt


Der Stock dient übrigens nicht dazu den Hund ins Wehrverhalten zu "drücken" sondern dazu die psychische Belastbarkeit des Hundes zu überprüfen. Der Hund wird mit diesem Stock nämlich nicht vermöbelt sondern es dürfen nur bestimmte Körperregionen getroffen werden. Bei diesen Stöcken handelt es sich um Softstock und nicht um den Knüppel vom nächstbesten Baum. Wehrverhalten spricht man anders an und kann mit diesem (wie schon im letzten Posting angesprochen) eine konstantaere Arbeitsleistung abrufen, wenn der Beutetrieb zu niedrig ist als dass er eine Konstante darstellen könnte.


Diensthunde werden normalerweise weniger in Beutebereichen angesprochen und wenn doch, wird dies auf die angegriffene Person kanalisiert. Das hat aber noch nichts mit Vollschutzarbeit zu tun sondern nur mit sehr feiner Beutearbeit.


Ich hoffe, es ist klarer geworden, dass Leistungshunde oder Schutzhunde KEINE sozialen Nervenkrüppel sind, die aus dieser Intention heraus beissen MÜSSEN, weil ihnen keine andere Möglichkeit bleibt. Das sind nämlich sogenannte Angstbeisser, die kein Sport- und erst recht kein Diensthundehalter haben möchte. Ein Angstbeisser reagiert unvorhersehbar und ist daher wirklich eine Gefahr für die Allgemeinheit. Ein Hund, der auf bestimmte Veranlagungen selektiert wurde, hat es nicht nötig einfach um sich zu beissen, weil er nervenstark und hochsozial ist. Er wartet auf mein Signal und zeigt lediglich eine erlernte Handlung.


Das ganze ist nun sehr ausführlich und sicher auch schwierig zu verstehen. Ich muss gestehen, dass ich bei einigen Teilen auf einen meiner Mentoren zurückgreifen musste, was zu beiderseitigem Kopfrauchen führte Aber grade das macht Hundezucht und Hundeausbildung interessant und lebendig. Das können mir Most, Müller und wie die wirklich guten alten Lehrmeister alle heissen allein nicht geben. Sie geben mir jedoch einen Anstoss zu Diskussionen mit anderen "Hundeverrückten" und wollen natürlich in der Praxis erlebt und umgesetzt werden. Daher kann ich vor den "alten Herren" dennoch meinen Hut ziehen. Aber mein Wissen allein stellen sie nicht dar.



Das Genie lernt von allem und jedem,

der Wissende lernt vom Genie,

der Dumme weiss alles besser.

rb_Cap
Benutzer
Beiträge: 742
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_Cap » Sa 11. Okt 2008, 22:51


Hallo Michele und Mentor,


Jetzt muss ich doch nochmals Danke sagen, denn ihr habt das in einem klaren, strukturierten und verständlichem Beitrag verfasst, worüber wir hier schon seitenweise debattiert haben.

Ich find das einfach nur Klasse.

Mit freundlichen Grüssen

Regine


rb_Uschi
Benutzer
Beiträge: 2024
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_Uschi » Sa 11. Okt 2008, 23:05


Da schließ ich mich an, es tut gut, das zu lesen.


Viele Grüße

Uschi

[Dieser Beitrag wurde am 11.10.2008 - 22:09 von Uschi aktualisiert]


rb_Rainer
Benutzer
Beiträge: 102
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_Rainer » Sa 11. Okt 2008, 23:06




[Dieser Beitrag wurde am 21.12.2008 - 04:26 von Rainer aktualisiert]


rb_Bettina
Benutzer
Beiträge: 1215
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_Bettina » Sa 11. Okt 2008, 23:18


So wünscht man sich ein Board....


Vielen Dank für die Mühe - es war sehr interessant zu lesen.


Liebe Grüße

Bettina



Um einander zu verstehen, brauchen die Menschen nur wenige Worte. Viele Worte brauchen sie nur, um sich nicht zu verstehen.

rb_Frauke
Benutzer
Beiträge: 57
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_Frauke » So 12. Okt 2008, 12:03


Ein super Beitrag.

DANKE MadDog


Gruß

Frauke



Ein vornehmer Mensch tadelt sich selbst, ein gewöhnlicher die anderen.


Konfuzius (551-479 v.Chr.)


und ich bleibe dabei, Hunde sind die besseren Menschen

rb_MadDog
Benutzer
Beiträge: 125
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_MadDog » So 12. Okt 2008, 13:21


Ich bin ganz überrascht von den vielen positiven Bekundungen. Vielen Dank sagen mein Mentor und ich. Über Kritik, Fragen und Anregungen würden wir uns ebenfalls freuen.



Das Genie lernt von allem und jedem,

der Wissende lernt vom Genie,

der Dumme weiss alles besser.

rb_lutz
Benutzer
Beiträge: 1362
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_lutz » So 12. Okt 2008, 15:04


Hallo Michele,


vielen Dank für deinen sehr aufschlussreichen und interessanten Artikel. Auch ich stehe neuen Erkenntnissen immer sehr aufgeschlossen gegenüber und bin immer bereit zu lernen.

Bevor ich aber darauf noch näher eingehe möchte ich mich hier aber nicht verzetteln und auf die ursprüngliche Frage im Thread zurückkommen nach welchen Kriterien wir Hunde aussuchen.


Wenn ein Züchter als Zuchtziel angibt dass er Hunde züchtet die beissen werden wen "Not am Mann" ist und auf deren Schutzhundtauglichkeiten wiederholt hingewiesen wird, wird auch ganz gezielt eine Gruppe von Leuten damit angesprochen denen wir nicht zuletzt unsere verschärften Hundegesetze verdanken.

Derartige Hunde passen aber tatsächlich nicht mehr in unsere heutige Zeit, wenn die Hundefeindlichkeit in unserer Gesellschaft nicht noch weiter fortschreiten soll.

Wie du selbst auch schreibst lässt es sich nicht ändern wenn ich in der Zucht ein Ziel nach oben setze dass andere angestrebten positiven Eigenschaften denn dahinter zurückstehen müssen. Wenn es die Gesundheit und Konstitution sein sollte würde ich dieses für absolut unzuträglich finden, wenn es der Formwert sein sollte würde ich noch mit mir reden lassen solange der Airedale noch so aussieht wie ein Airedale und nicht mehr Ähnlichkeit mit einem Ziegenbock hat. Was Wesen und Charakter betrifft stellt sich mir hier die Frage wie der Züchter es schaffen kann nur schutzhundtaugliche Hunde zu züchten wenn nach Inge Hansen "Vererbung beim Hund" die Schutzhundeignungsvererbung nur sehr niedrig mit 10% angesetzt wird. Wenn ich als Züchter hier möglichst viele Treffer erzielen möchte, müsste ich mich auf eine mittlere Reizschwelle ohne übermäßige Aggression bei meinen Hunden konzentrieren.

90% der Welpen würden nach dieser Aussage von Inge Hansen bei einem Eignungstest als Schutzhund aber durchfallen, wie immer der auch aussehen mag.

Das heißt für mich dass hierbei eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Hunden in einem Wurf sein werden deren Reizschwelle zu niedrig und deren Aggression zu stark für einen echten Schutzhund wären.

Diese Kriterien sind ja nicht nur rasseabhängig sondern können auch innerhalb eines Wurfes Welpen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.

Kurz und gut auch mit solchen überreagierenden Hunden muss ein Züchter mit solch hehren Zuchtzielen des Schutzhundes dann irgendwo bleiben und er wird dafür sicher auch einen dankbaren Kundenkreis finden der sich im hiesigen Umfeld häufig am Rande der heute so genannten Unterschicht bewegt. Es sollen von mir hier damit ausdrücklich keine Sporthunde angesprochen sein.


Letztendlich ist es in der Praxis nachher wohl nicht entscheidend welche Eigenschaften ich den Trieben oder dem Verhalten zuordne und es gibt sicher viele hundliche Eigenschaften die diffus irgendwo dazwischen liegen.


Triebe und Verhalten unterscheiden sich für mich im Wesentlichen dadrin dass ich einen von der Natur mitgegebenen Trieb nur sehr schwer oder manchmal auch gar nicht steuern kann, während ich ein Verhalten auch antrainieren oder ändern kann.


Deswegen bekommen beim Menschen sogenannte Triebtäter für ihre Taten mal mildernde Umstände oder werden (hoffentlich) für alle Zeiten im Maßregelvollzug weggeschlossen weil sie ausschließlich triebgesteuert ihre Taten (Verhalten) nicht unter Kontrolle bekommen.


Sicher ändern sich mit neueren Zuordnungen der Begriffe nicht die auch bisher bekannten Verhaltensweisen. Ob ich jetzt einen von der Natur mitgegebenen Trieb oder das daraus entspringende Verhalten anspreche, ob Verhalten genetisch bedingt, durch Aufzucht und Umwelt geprägt oder bewusst antrainiert wird, in den Auswirkungen ist es in der Praxis dasselbe.

Wenn heute ein Buch "Das (unerwünschte) Jagdverhalten des Hundes" heißt, ändert es für mich nichts daran das darin der Jagdtrieb angesprochen wird. Wenn ich den Wehrtrieb auf eine zu kurze Fluchtdistanz zurückführe und Wehrverhalten nenne, ändert das auch nichts daran dass der Hund der klar im Kopf ist gar nicht flüchten will sondern zurückbeißen wird, genau so wie ich nicht die andere Backe hinhalte wenn ich eine geklebt kriege und nicht weglaufe sondern vollautomatisch zurückschlage.

Auch ist es mir egal ob der Hund für mich seinen Schutztrieb einsetzt um aus dem Sozialtrieb heraus seinen Meutegefährten arterhaltend am Leben zu halten, oder als geborener Opportunist seinen (zu) ihm gehörenden Dosenöffner verteidigt wie ich es erfahren habe und eher vermute. Hauptsache er tut es, dass hierbei keine edelmütigen hundlichen Charakterzüge eine Rolle spielen sollte allerdings jedem klar sein.


Damit können sich gerne die Experten wie M.M.und Baumann auseinandersetzen.


Das von mir angeführte Buch von M.M. " Der echte, führige Schutzhund" habe ich in der dritten bearbeitetenj Auflage aus dem Jahre 2000. Es ist für mich klar gegliedert und logisch aufgebaut. Auch das Buch " Vom Welpen zum Schutzhund" steht bei mir im Schrank. In Erinnerung habe ich dass der Autor Baujahr 1939 ist und wohl noch am Leben sein dürfte. Auch die Kynologen Wachtel und der erst kürzlich verstorbene Räber sind oder waren ja schon recht betagt und obwohl nicht immer einer Meinung hatten sie sich doch neueren Erkenntnissen nicht verschlossen und interessante Diskussionen geführt.

Das Buch von Baumann gibt es schon seit längerem nicht mehr im Handel, werde es mir aber über ein Hundebuchantiquariat besorgen genau so wie ich es mit dem Herrn Most gehalten habe, den ich aber nun doch von den Ausbildungsmethoden nicht mit M.M. vergleichen möchte.


Mit freundlichen Grüßen lutz mit Joker

[Dieser Beitrag wurde am 12.10.2008 - 17:34 von lutz aktualisiert]



Die Beziehung zwischen einem Mann und seinem Hund ist heilig,

was die Natur vereint hat, soll keine Frau trennen.

A.R. Gurney

rb_kenzo
Benutzer
Beiträge: 774
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_kenzo » So 12. Okt 2008, 15:43


Hallo Michèle,


herzlich Willkommen im Airedale-Forum. Ich habe im Vorfeld ein wenig gegooglet. Schön, dass Du als professionelle Hundeausbilderin uns hier mit Deinen Statements über aktuelle Ausbildungsmethoden informierst. Es ehrt Dich übrigens sehr, dass Du Dich für Rennpferde im Ruhestand engagierst.


Sicherlich hat Dich mein Eintrag über die HP des Züchters Deines Hundes dazu motiviert, hierauf zu antworten und Deine Kriterien beim Welpenkauf darzulegen.


Michèle, ich bleibe dabei, dass ich die Aussagen dieser HP für äußerst grenzwertig und überholt halte. Sicherlich wird jemand wie Du oder ich, zwischen den Zeilen herauslesen, was eigentlich gemeint ist. Jedoch darf man, gerade von einem Züchter wie ihm, aufgrund seiner beruflichen Qualifikation, ehrliche und klare Aussagen erwarten.


Über die züchterische Qualität dieser Verpaarung werde ich mich verständlicherweise hier im Forum nicht äußern, empfehle Dir aber ein intensives Studium der Ahnentafeln der Elterntiere bis Generation 6 und weiter. Diese findest Du im Dogbase oder bei www.working-dog.eu


In diesem Sinne, wünsche ich Dir und allen Forumslesern weiterhin ein schönes und sonniges Wochenende.


Uli und Kenzo



Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.
www.airedale-kenzo.de

rb_MadDog
Benutzer
Beiträge: 125
Registriert: Mi 16. Dez 2009, 01:00

Kriterien

Beitrag von rb_MadDog » So 12. Okt 2008, 18:28


@ Lutz


Weil sich eine "bestimmte Gruppe" von Leuten nicht zusammenreissen kann, soll ihnen die Macht gegeben werden über Wohl oder Wehe der Gebrauchshundezucht zu entscheiden? Statt über die bedauerlichen Beissunfälle nachzudenken und eine ordentliche Lösungsfindung anzustreben, verharren wir lieber schreckensstarr in unseren eigenen vier Wänden und hoffen auf Wunder? Finden uns damit ab, dass vielleicht irgendwann ein generelles Hundeverbot stattfindet? Aber das wollen wir ja nicht also züchten wir Plüschtiere mit Knopf im Ohr, die besser ins Jahr 2008 passen? Und vergessen dabei, dass wir sogar ein Plüschtier zu einer mordenden Bestie machen können, wenn wir es darauf anlegen.


Die Aussage des Züchters ist krass, keine Frage. Aber sie ist ehrlich und entspricht seinen Hunden. Diese Hunde passen besser in unsere Gesellschaft als Nervenbündel, extrem hyperaktive Hunde, Angstbeisser oder stark melancholische Hunde. Sie sind ansprechende und souveräne Vertreter, die es nicht nötig haben in Alltagssituationen um sich zu beissen und Aggressionen frei zu machen. Denn wer wird schon täglich überfallen, ausgeraubt, in die Büsche gezerrt usw.?


Die Schutzhundeigenschaften von der erwähnten Inge Hansen müssen einem Mythos entspringen, denn es gibt sie nicht in einer festgelegten, allgemeingültigen Form. Jeder Hund, der frei von eklatanten Wesensmängeln ist, ein wenig Beuteveranlagung besitzt und dazu noch Arbeitsfreude, kann zu einem "Schutzhund" ausgebildet werden. Es macht den Eindruck als wäre Frau Hansen nicht in der Lage einen vernünftigen Schutzhundeeignungstest durchzuführen. Denn 90% aller Welpen eines durchschnittlichen Wurfes sind für Sportlerbedarf geeignet, während seltenst ein wirklicher Diensthund dabei rum kommt und 10% sind ungeeignet. Davon ausgehend, was ich wenige Sätze zuvor erwähnte.


Der hier erwähnte Züchter strebt Wesenssicherheit, gute Nerven und Souveränität seiner Hunde an und eben nicht Nervenbündel oder Angstbeisser, die zutage treten, wenn nicht entsprechend selektiert wird. Somit stellt sich die Frage, nach welchen Charaktereigenschaften Züchter streben, wo sich keiner der Hunde über Generationen hinweg einer Überprüfung des Wesens unterziehen musste.


Es ist sehr wohl wichtig, dass man weiss, welche Triebe und Verhaltensweisen wo und wie zugeordnet werden. Denn nur so ist es möglich die individuellen Eigenschaften eines Hundes zu erfassen und an richtiger Stelle zu fördern, zu bremsen oder zu kanalisieren. Das gelingt natürlich nicht, wenn man sich von diesen Fakten freispricht und etwas irgendwo zuordnet, wo es gar nicht existiert. Es gibt Verhaltensweisen, die sich auf den ersten Blick ähneln, beispielsweise ein wehrhafter Hund. Es macht aber einen gewaltigen Unterschied in der Führung aus, ob der Hund aus Angst/Unsicherheit reagiert oder ein lustbetonter Raufer ist. Es bleibt einem also nicht viel anderes als in den sauren Apfel der modernen Erkenntnisse zu beissen, will man ein Problem nicht noch zusätzlich verschärfen.


Es gibt Unmengen guter und strukturierter Bücher auf dem Markt. Man muss sich jedoch vor Augen halten, dass niemand die Weisheit mit Löffeln gefressen hat und penibel unterscheiden, ob die Erkenntnisse aus einem "sterilen" Umgang mit Hunden resultiert oder aus dem alltäglichen Geschehen. Gerne führe ich Frau Feddersen-Petersen an, die in "steriler" Umgebung Hundemeuten in ihren Interaktionen beobachtet, aber kaum mit alltäglichen Situationen konfrontiert wird. Klar, dass man diese Erkenntnisse nicht eins zu eins in den Alltag integrieren kann, weil dort noch etliche Fakoren (Umweltreize, Halter etc.) hinzu kommen. Ebenfalls "gefährlich" sind Verfechter bestimmter Ausbildungstheorien, die kurz über lang auf einen Hund treffen, der sich nicht in eine Schublade stecken lässt. Wir müssen also flexibel sein um unsere vierbeinigen Individuen ordentlich zu verstehen und mit ihnen umgehen zu können. Aus der Theorie allein hat das jedoch noch niemand bewältigt.


@ Kenzo


Wie Du richtig festgestellt hast, habe ich einen Hund aus einer bestimmten Verpaarung erhalten. Ich konnte mich bei den Züchterbesuchen vergewissern, dass der Züchter sehr genau um die Charaktere seiner Welpen weiss. Dementsprechend fiel seine Wahl auf passende Kaufinteressenten. Unter diesen Voraussetzungen wird ein Züchter wohl klipp und klar sagen dürfen was er denkt, denn schliesslich stellt er anschliessend verantwortungsbewusst die richtigen Mensch-Hund-Teams zusammen.


Als "professionelle" Hundeausbilderin kenne ich sowohl dogbase als auch working-dog.eu und habe mir erlaubt schon vor der Kontaktaufnahme das Pedigree bis zu den letzten Einträgen zu verfolgen. Da mir diese zusagten, habe ich den Züchter überhaupt erst in die engere Wahl genommen.


Ich bin allerdings entzückt, dass meine doch eher allgemein gehaltenen Beiträge ein so grosses Interesse wecken, dass man sogar google bemüht um mehr über meine Person zu erfahren. Wie ich allerdings zuvor schon anmerkte, basiert mein letztes Statement gar nicht auf der Tatsache der "professionellen" Hundeausbilderin sondern vor allem auf der Korrespondenz mit Mentoren, die sich aktiv im Dienst- und Sporthundebereich bewegen und ihr Wissen ebenfalls nicht allein der grauen Theorie entnehmen. Auf diesen speziellen Fall bezogen lässt sich das in google natürlich nicht darstellen.



Das Genie lernt von allem und jedem,

der Wissende lernt vom Genie,

der Dumme weiss alles besser.

Antworten

Zurück zu „Allgemeines“