Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

alle Fragen zur Hundeerziehung, Körpersprache, Kommunikation
Freddy

Re: Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

Beitrag von Freddy » Mi 8. Sep 2010, 12:33

Hallo zusammen,

ich denke das habe ich jetzt verstanden. Ihr belohnt also den Blickkontakt des Hundes zum Hundeführer, um ihn zu verstärken...das macht auch sicher Sinn, denke ich.

Auf diese „Vorlage“ hatte ich schon gewartet ;) .
Petra schrieb ganz richtig:
Übrigens: Eis hin, Leberwurst her, die beste Belohnung war bei beiden (Kind und Hund) immer noch, es dann selbst geschafft zu haben und die Angst besiegt zu haben (wenn auch an meiner Hand).
Nun können wir die Diskussion um die „körperlichen“ Leckerchen als Belohnung erstmal zur Seite legen und wenden uns dem Unterthema „Belohnungssystem im Kopf des Hundes“ zu.
Ich hatte es im Eingangsbeitrag „intrisische Motivation“ genannt. Einen viel schöneren Begriff dafür habe ich irgendwo gelesen: Leckerchen im Hundehirn!

Wie funktionieren Belohnungen? Immer wenn sich ein Hund ein Grundbedürfniss (früher sprach man meist von „Trieben“) erfüllen kann, reagiert das Gehirn, ganz verkürzt gesehen, mit einer Dopaminausschüttung (ein Neurotransmitter oder “Glückshormon“) und zwar auch schon bei Vorfreude. Man unterscheidet, (je nach Modell unterschiedlich, hier eine andere Definition bei Wiki ) drei „große“ Grundbedürfnisse:

-Das Grundbedürfniss auf Sozialkontakt und Bindung
-Das Grundbedürfniss auf Lustgewinn aller Art und Vermeidung von Unlust( z.B. Schmerz)
-Das Grundbedürfniss auf Freiheit. Ich meine hier die Handlungs-Freiheit (Kontrolle) in den verschiedensten Situationen, die freie Auswahl von Verhaltensmöglichkeiten. Das selbstständige Lösen von Problemen zählt auch in diese Kategorie...

Viele Hunde lösen gerne Probleme. Wenn sie mit einer zielführenden Strategie Erfolg hatten, beschert ihnen, wie auch uns, stolze Glücksgefühle. Bei Menschen ist es manchmal so, das sie viel Geld in ihren Job verdienen, aber trotzdem nicht richtig zufrieden sind. Umgekehrt sind Mitarbeiter die relativ “frei“ in ihrem Verantwortungsbereich Probleme lösen dürfen und können, auch mit weniger Geld „mehr“ zufrieden, weil für sie ihre Arbeit, durch die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten, viel befriedigender ist.

Im Hundekopf passiert also bei der Gabe von Leckerchen (und die Vorfreude darauf/z.B. Clicker) und dem ungestörten Ausleben seiner Problemlösungskompetenz praktisch das Gleiche. Das interne Belohnungszentrum wird aktiviert (selbstbelohnendes Verhalten).
Versuche haben gezeigt das ohne dieses Belohnungsystem Ratten vor vollen Futterschüsseln verhungern...sie haben einfach keinen Bock was zu fressen...
So gesehen ist die Belohnung mit Leckerchen eigentlich auch ein nur eine „intrisische Motivation“, ausgelöst durch die Befriedigung des „Grundbedürfniss auf Lustgewinn“.

Man kann durchaus diese intrisischen Belohnungen im Alltag aber auch beim normalen Training einsetzen. Intutiv tun das ja schon viele. Durch viele Belohnungen solcher Art wird Lernen und „Arbeiten“ für den Hund zum Vergnügen. Im besten Fall ist das Zusammenarbeiten mit uns selbstbelohnend.
Umgekehrt sollte natürlich unbeabsichtigte Strafe durch „Mißachtung der Grundbedürfnisse“ vermeiden. Wenn ich z.B. einen Hund mit Gewalt ins Sitz bringe nehme ich ihm seine Entscheidungsfreiheit. Dieser Zwang geht oft mit „Unlustempfinden“ einher und ist dem Lernen und „Gehorchen“ letztlich hinderlich.

LG
Freddy mit Felix

Anneliese

Re: Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

Beitrag von Anneliese » Mi 8. Sep 2010, 14:47

Moin!

Jetzt wird es aber ganz spannend.

Die Grundbedürfnisse eines Hundes wären für mich konkret:
Jagd- Sozialer Rudel- Territorial- und Sexualinstink.

Freddy schrieb u.a.:
...Umgekehrt sollte natürlich unbeabsichtigte Strafe durch „Mißachtung der Grundbedürfnisse“ vermeiden...
Da schränken wir unsere Hunde ja aber schon gewaltig ein, selbst wenn wir z.T. Ersatzhandlungen anbieten/fördern - z.B., statt Hasenjagd, Dummytrainung, usw.

In dieser Woche war es schon so aufregend mit Bente, dass mir die Hälfte auch noch genug gewesen wäre - aber heute morgen war mein Adrenalinspiegel im Dunkelroten Bereich.

Bente machte auf einmal einen so gewaltigen Satz in die Leine (angeleint wg. ausbüxen), dass sie komplett aus der Halsung geschlüpft ist und ich mit dem Zeugs alleine in der Landschaft stand.

Bente hatte einen toten :bunny am Weg gerochen und stand jetzt mit selbigen im Maul vor mir - nein, ich vor ihr, denn ich bin hinterhergesprintet - schaut mich kurz an und wollte wegspringen.
Es ist mir immer noch nicht ganz klar, warum sie sich von mir dieses Vergnügen verbieten ließ und den Hasen wieder aus gab - wo ich im Moment von ihr oft dieses :dog_tongue2 sehe.

Ihr war absolut klar, dass sie komplett leinenlos und also frei war. Hatte sie jetzt Respekt vor mir? Wog sie den Hasen gegen mich ab? Das mag ich kaum glauben...

Jedenfall war ich heilfroh :brav

Liebe Grüße
Anneliese mit Bente - ohne :bunny

Eddi

Re: Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

Beitrag von Eddi » Mi 8. Sep 2010, 14:57

Moin,

@Anneliese
da kam der Familientrieb durch. Bente hat den Hasen für Dich erbeutet, damit Du ahc mal so was leckeres bekommst, in dem Du dich vorher vermutlich auch noch suhlen könntest....
happy_02

LG
Eddi
war wohl fachlich jetzt nicht so bereichernd.... :dog_ph34r

LiBy608

Re: Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

Beitrag von LiBy608 » Mi 8. Sep 2010, 16:59

Waidmannsheil Anneliese,

und nu noch einen Hasenpfeffer ...hmmmm ein herzhafter Kräuter-Likör von Hase.....k :bunny
und dann ist die Welt wieder ganz
Hasenpfeffer.jpg
in Ordnung.
Prosit happy_01
Brigitte

Sabom

Re: Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

Beitrag von Sabom » Mi 8. Sep 2010, 18:19

Hi Anneliese,

Susi kann das auch gut, aus allen Halsungen(wie bei einem Kaiserschnitt, flutsch das eine Ohr und flutsch das andere Ohr und tschüß) und Geschirrchen (wie aus einem Puli, Arme nach vorne, Kopf lang machen und flutsch) rauswinden und wir stehen mit den Haaren steil nach oben auf einer befahrenen Straße oder so :dog_ohmy oder sie will woanders lang und disskutiert mit uns nicht lang :dog_laugh im Wald ginge das ja noch, da kommt sie mit aber auf der Straße haben wir nen halben Herzinfarkt bekommen. Jetzt hat sie so ein flutschiges Halsband, das normal locker sitzt und wenn Hundi zieht so einen Stopp an einer Stelle hat, da kann sie sicher nicht raus, wäre aber für mein Empfinden für dauerhaft tragen zu eng. (habs gerne locker) vielleicht wäre das ja was für Bente?

LG

Sabine

Eddi

Re: Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

Beitrag von Eddi » Mi 8. Sep 2010, 18:29

Hallo,

ehe wir hier in eine Halsband-Diskussion abgleiten; wir hatten hier mal diverse Halsbänder besprochen, da sind auch Bilder von meinem Favoriten, welches sich ausreichend eng zuzieht, aber den Hund nicht gleich völlig erwürgt. Ohne Zug ist es angenehm locker am Hundehälschen.
Ich mag keine Halsbänder, die so schlabberig hängen, daß die Hunde beim Toben gegenseitig rein geraten könnten. Das geht recht schnell, weil sie sich ja gern im Schulterbereich behupfen. Vielleicht bin ich da auch durch entsprechende Erlebnisse im Pferdebereich, wo irgendwie irgendwo reingeratene Teile von Pferden zu entsprechend großen Zerstörungen in, am und um's Tier herum führen, geschädigt. Aber ich habe eben auch schon fast abgedrehte Hundebeine zu sehen bekommen, weil der eine im losen Kettenhalsband des anderen hängen blieb und beide in Panik umeinander sprangen und weg rennen wollten. :dog_ohmy

LG
Eddi
findet es nicht schlimm, wenn das Halsband den Hund auch sicher hält....

Freddy

Re: Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

Beitrag von Freddy » Mi 8. Sep 2010, 19:05

Hallo zusammen,
Anneliese hat geschrieben:Die Grundbedürfnisse eines Hundes wären für mich konkret:
Jagd- Sozialer Rudel- Territorial- und Sexualinstink.
Das läuft schon auf das Gleiche hinaus, ich will nun auch nicht Haare spalten, aber:

In der modernen Verhaltensforschung sind die Trieb- und Instinkt-Theorien (erst beim Menschen, jetzt auch bei den Tieren) die sich so nicht mehr halten ließen, weitgehend von sinnvolleren Alternativen wie z.B. dem von mir genannten „Grundbedürfnissmodell“ abgelöst worden.
Ein Nachteil der bisher verwendeten Trieb-Theorie (Freud) und der Instinkt-Theorie (Lorenz) ist es, dass Verhalten von Hunden als grundsätzlich angeboren angesehen wird. Das auch Verhalten nicht starr sein muss und auf Lernprozessen beruhen kann wurde weitgehend ausgeblendet. Ein entsprechender "Trieb-Schaltkreis" im Gehirn wurde übrigens von Neurobiologen bis heute nicht gefunden.

Hier noch ein ganz interessanter Link zum Thema (siehe besonders Punkt 3+4: Alternativen zu Triebtheorien) :
Vielleicht auch für „Schutzhundleute“ mal ganz interessant! Man sieht das auch im Hundesport schon neue Erkenntnisse angekommen sind, wenn auch vielleicht noch nicht bei allen...

Anneliese hat geschrieben:Da schränken wir unsere Hunde ja aber schon gewaltig ein, selbst wenn wir z.T. Ersatzhandlungen anbieten/fördern - z.B., statt Hasenjagd, Dummytrainung, usw.
Natürlich müssen wir unsere Hunde oft einschränken...trotzdem sollte man, wo es geht, den Hund nicht zu einem Verhalten zwingen sondern ihn zu einem Verhalten motivieren. Dann ist es nämlich aus seiner Sicht, seine "freiwillige" Entscheidung gewesen und nicht negativ besetzt, wie jeder starke Zwang.
Ich bemühe mich stets, Felix die Freiheiten die möglich sind, zuzugestehen. Unsere Hunde brauchen Freiräume und werden in unserer modernen Welt schon genug gestresst und gegängelt....
Anneliese hat geschrieben:Bente machte auf einmal einen so gewaltigen Satz in die Leine (angeleint wg. ausbüxen), dass sie komplett aus der Halsung geschlüpft ist und ich mit dem Zeugs alleine in der Landschaft stand.
na ja,...das hatte ich mit dem "Grundbedürfniss Kontrolle/ Entscheidungsfreiheit" erfüllen, nicht wirklich gemeint... ;)

Etwas OT:
Anneliese hat geschrieben:Ihr war absolut klar, dass sie komplett leinenlos und also frei war. Hatte sie jetzt Respekt vor mir? Wog sie den Hasen gegen mich ab? Das mag ich kaum glauben...
Vielleicht wollte sie wirklich mit Dir teilen, wie Eddi auch schon vermutet hat? Ist doch ein feiner Zug von ihr... :brav
Dazu noch eine kleine Geschichte die ich im alten Forum schon mal erzählt hatte:
Ein Vorgänger von Felix, auch ein AT, ich will mal lieber keine Namen nennen, hat mich bei einer Bergtour in den Alpen mit einem "schönen Geschenk" überrascht.
Er war in unübersichlichem Gelände mit vielen Felsen mal kurz außer Sicht, und kam mit einem Murmeltier quer in der Schnauze zu mir zurück. Ich hab dann, als ich seiner ansichtig wurde, sofort "Aus" gebrüllt. Man glaubt es kaum, er ließ augenblicklich los und das Murmeltier, noch etwas verduzt, zog unter seinen Blicken, unbehelligt von dannen. Nochmal Glück gehabt....


...vermutlich wollte er auch nur mit mir teilen...und ich Ignorant mach ihm alles kaputt...

Jetzt würde mich noch interessieren, was Euch noch so zu Belohnungen mit "Leckerchen im Hundehirn" einfällt?


LG und Prost Hasenpfeffer...
Freddy mit Felix

Anneliese

Re: Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

Beitrag von Anneliese » Do 9. Sep 2010, 07:59

Moin!

Freddy, ich denk über den Themenkomplex und Deine letzte Frage noch mal in einer ruhigen Stunde nach - aber eines muss ich sofort loswerden...

Du schriebst:
wo es geht, den Hund nicht zu einem Verhalten zwingen sondern ihn zu einem Verhalten motivieren. Dann ist es nämlich aus seiner Sicht, seine "freiwillige" Entscheidung gewesen und nicht negativ besetzt, wie jeder starke Zwang.
...dies Verhalten beherschen wir Frauen seit Jahrhunderten und perfektionieren es an unseren Ehemännern... happy_02
mal wieder ist die Hund-Mensch-Erziehung deckungsgleich...


Liebe Grüße
Anneliese mit Bente - die noch :dog_sleep2 - wehe sie wird :dogrun - dann - :nein

Freddy

Re: Gedanken zu Belohnungen in Ausbildung und Erziehung

Beitrag von Freddy » Do 30. Sep 2010, 17:18

Hallo zusammen,

was veranlasst unsere Hunde, unseren Anweisungen Folge zu leisten? Sind es nur die Belohnungen die sie erwarten können wenn sie uns folgen? Ich denke: Nein.
Sicher müssen sie zunächst verstehen was wir von ihnen wollen. Dazu eignet sich z.B. die operante Konditionierung mit Belohnungen (z.B. mit Clicker) hervorragend.
Aber unsere Hunde sind keine Roboter. Es fehlt noch etwas Wichtiges, damit sie sicher gehorchen: Sie müssen uns als Chef anerkennen!
Da es sich um ein sehr komplexes Thema handelt, habe ich mir hier in einem neuen Thread noch ein paar Gedanken dazu gemacht: Gedanken zur Führung

LG
Freddy mit Felix

Antworten

Zurück zu „Erziehung & Verhalten“