"Leinenaggression"

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Freddy

"Leinenaggression"

Beitrag von Freddy » Di 12. Apr 2011, 11:17

Hallo zusammen,

mich würden mal Eure Erfahrungen und Lösungsvorschläge zum Thema „Leinenaggression“ interressieren.
Mit Felix gibt es da GsD keine Probleme, ich habe da einen anderen Hund aus unserer MT-Gruppe im Auge.

Dieser Hund ist ca. 5 Jahre (Rüde, kastriert) alt und hat wohl auch ein paar schlechte Erfahrungen ( z.B. vom Fahrad angefahren, vielleicht aber auch mit Hunden...) gemacht.
Er will hinter jedem Fahrrad oder Jogger bellend herjagen. Bei Hunden (auch bei denen die er kennt und mit denen er freilaufend keine Probleme hat) denen er an der Leine begegnet das Gleiche. Er „hängt“ dann in der Leine, ist kaum zu bändigen und will bellend und zähnefletschend den anderen Hunden ans Leder. Das sieht relativ aggressiv aus, ist es aber vermutlich nicht wirklich. Jedenfalls nicht bei den Joggern denen er nachläuft und evt. anspringt, aber nicht zubeißt.
In einer Hundeschule konnte man nicht helfen...

Vermutlich handelt es sich um zwei unterschiedliche Problemkreise. Das spielerische Nachjagen nach Joggern und die „Leinenaggression" gegenüber anderen Hunden. Mich würde zunächst das zweite Problem interessieren.

Ich könnte mir nun vorstellen, dass es sich dabei um eine sogenannte „Frustrations- Aggression“ handeln könnte. Der Hund möchte zu den Hunden hinlaufen, wird aber von der Leine daran gehindert. Ohne Leine verhält er sich, zumindest gegenüber anderen Hunden, recht normal.

Wie könnte man ein solches Problem angehen? Wäre es vielleicht sinnvoll den Hund mal an der Leine zu einem Kumpel, den er kennt und mit er sich verträgt, hinzuführen und nicht wie sonst immer, wegzuziehen? Wenn alles gut geht später dieses Verhalten auf andere Hunde ausdehnt und sozusagen eine "Standartsituation" daraus zu machen?

LG
Freddy

Eddi

Re: "Leinenaggression"

Beitrag von Eddi » Di 12. Apr 2011, 11:56

Hallo Freddy,

ich habe ja ein ähnliches Beispiel in unsere MT-Gruppe.
Die Hündin Luna pöbelt auf 20 m Entfernung alle Hunde an. Neulich haben wir sie und Zirbel auf einer Wiese frei zusammen gelassen. Ohne Leine war Luna sehr viel weniger aggressiv und hielt sich schön an Herrchen, hihihi, aber Zirbel sah nun die große Chance und hat Luna zur Schnecke gemacht. Viel Gebrüll und nur feuchte Haare, beide Hunde ließen sich ablenken, so daß ich abgewertet hatte, bis Luna aufhörte sich zu wehren und dann Zirbel sofort abgerufen habe. Danach gabs Sitz und Kekse für beide von mir. Luna war ziemlich verblüfft, und danach recht friedlich. Seither pöbelt sie Zirbel wesentlich verhaltener an. Ihr Frauchen hatte zwar heftige Bluddruckspitzen bei dem "Kampf" aber ich glaube, wenn man das konsequent mit ihr machen würde, würde sich dieses Verhalten bessern, weil sie lernte, daß sie eh keine Freude mit der Pöbelei erzielt.

Ich persönlich habe ja die Nerven für solche Experimente, auch weil ich mir bei meinem Hund sicher sein kann, daß ich jederzeit Einfluß nehmen kann.
Ich würde es aber auch andersherum machen. Also Kläffi plus Kumpel freilaufen lassen und danach beide mit Leine bei Fuß nehmen und gemeinsam beschäftigen, evtl auch gemeinsam Kekse geben. Ich finde, wenn ein Boß Kekse verteilt, kann er sehr schön beiden damit ihre Position - gemeinsames Schicksal :dog_wink - klar machen. Aber man muß sich sicher sein, daß beide Hunde auf einen hören. Luna hat zB vor mir sofort Respekt gehabt und nahm für Keks und Boß-Nähe auch gern Zirbel neben sich in Kauf.
So herum fängt man halt auch mit einer entspannten Situation an; läßt man sie erst an der Leine zusammen, so ist von vornherein die Spannung da. Entweder reagiert der Kumpel cool oder er hat zu recht keinen Bock auf Pöbelei und stänkert zurück. Wenn es ja freilaufend klappt, wäre mE dies als Ausgangpunkt einfacher.

Ich habe auch nicht immer Lust, bei solchen Pöbeltieren irgendwelche lang-her-Ereignisse als Entschuldigung anzunehmen. Mag schon sein, aber irgendwann muß das auch mal ausgestanden sein.
Luna soll Handaufzucht sein und kaum Hundekontakt gehabt haben. Ja, aber nun hat sie welchen und muß sich halt schicken, Punkt. Und in der Tat, es klappt, wenn man sich nur traut. Unser MT-Trainer, der Luna auch in seiner Hundeschule betreut, hat jedenfalls keine Änderung geschafft. Mir egal, hauptsache, mein Hund muß sich nicht immer ärgern. Zirbel weiß nun, daß sie Luna platt machen kann, und Luna beherzigt das anscheinend auch *bißchenfiesgrins* und schon entspannt sich das Gantze ein wenig. Ich denke, wenn die Mädels einfach ein wenig häufiger frei zusammen kämen, würde sich ein Gentledogs-Agreement ergeben. Luna hat Defizite, aber mein Gott, damit kommen normale Hunde schon klar.
Vielleicht klappt das in eurem Fall mit Kläffi auch.
Und dann passiert es verblüffend häuig, daß solche Hunde, wenn sie mal von jemand anderem, gern jemand, den sie kennen und von dem sie wissen ,der eigene Hund vertraut ihm blind, geführt werden, plötzlich ganz anders sind. Ich vermute, daß in den meisten Fällen eine unglückliche Kombination von Fehlschaltung beim Hund mit Fehlreaktion beim Mensch ein eingespieltes Muster ergibt, das nur darum so schwer zu durchbrechen ist, weil niemand die winzige Kleinigkeit findet, an der sich das ganze aufhängt. Nimmt jemand anders den Hund, ist für diesen eine völlig neue Situation da und er ändert sein eingefahrenes VErhaltensmuster sofort.

LG
Eddi

Teddy.

Re: "Leinenaggression"

Beitrag von Teddy. » Di 12. Apr 2011, 12:24

Eddi hat geschrieben:(..)Und dann passiert es verblüffend häuig, daß solche Hunde, wenn sie mal von jemand anderem, gern jemand, den sie kennen und von dem sie wissen ,der eigene Hund vertraut ihm blind, geführt werden, plötzlich ganz anders sind. Ich vermute, daß in den meisten Fällen eine unglückliche Kombination von Fehlschaltung beim Hund mit Fehlreaktion beim Mensch ein eingespieltes Muster ergibt, das nur darum so schwer zu durchbrechen ist, weil niemand die winzige Kleinigkeit findet, an der sich das ganze aufhängt. Nimmt jemand anders den Hund, ist für diesen eine völlig neue Situation da und er ändert sein eingefahrenes VErhaltensmuster sofort.(..)
Das wäre auch mein Lösungsansatz:

Neues oberes Ende der Leine, neue, klare Regeln und schon hält Hund die Klappe.

Gleichzeitig sieht der Besitzer, daß es an ihm liegt. Hart, aber wirkungsvoll.

lg
Dina

Rover

Re: "Leinenaggression"

Beitrag von Rover » Di 12. Apr 2011, 15:19

Hallo,
Ich vermute, daß in den meisten Fällen eine unglückliche Kombination von Fehlschaltung beim Hund mit Fehlreaktion beim Mensch ein eingespieltes Muster ergibt, das nur darum so schwer zu durchbrechen ist, weil niemand die winzige Kleinigkeit findet, an der sich das ganze aufhängt. Nimmt jemand anders den Hund, ist für diesen eine völlig neue Situation da und er ändert sein eingefahrenes VErhaltensmuster sofort.
Genau!
Wir haben hier einen Labrador als schönes Beispiel: ist Herrchen dabei, knallt der Hund völlig durch. An der Leine, aber auch, wenn er im Garten ist. Hängt mit blitzenden Zähnen über dem Zaun, dass einem himmelangst wird. Und Herrchen stürzt sich von hinten auf seinen brüllenden Hund und versucht ihn wegzuzerren - meistens völlig erfolglos.
Ist aber Herrchen nicht da, so ist der Labrador ein ganz anderer. Zuckt nicht, bellt nicht, steht meistens nichtmal auf, wenn wir vorbei gehen.
Ich gucke also immer schon von Weitem, ob der Mensch im Garten ist. Klasse, nicht? :dog_blush

Ich wüsste aber nicht, was der Besitzer anders machen sollte - egal, in welchem Beispiel. Ihm zeigen, dass es bei jemandem anders gut funtkioniert, ist ja gut und schön, aber sagt dem Mann auch nicht, was er ändern müsste.
Da liegt das Problem: Umerziehung des Besitzers!

Viele Grüße, Kerstin

Teddy.

Re: "Leinenaggression"

Beitrag von Teddy. » Di 12. Apr 2011, 15:24

Rover hat geschrieben:(..) Ihm zeigen, dass es bei jemandem anders gut funtkioniert, ist ja gut und schön, aber sagt dem Mann auch nicht, was er ändern müsste.
Da liegt das Problem: Umerziehung des Besitzers!(..)
Ja, richtig. Als Motivation für den Besitzer dient das Beispiel, daß es mit einem anderen Leinenhalter "geht".

lg
Dina

sijuto

Re: "Leinenaggression"

Beitrag von sijuto » Di 12. Apr 2011, 15:56

Hi Ihr,
ich hab selbst einen Hund mit Leinenaggression übernommen und war ganz begeistert - Bei seinen Vorbesitzern: Theater an der Leine ohne Ende. Ich nahm ihn probeweise an die Leine - kein Problem, Hund war voll auf mich fixiert, kein Theater, kein Pöbeln - drei Wochen lang! Nichts hab ich geändert in der Zeit und die Leinenaggression ist uns geblieben.

Funktioniert übrigens auch perfekt mit nicht so doll motivierten Hunden im Hundesport, z.B. bei der Fußarbeit - nehm ich als Trainer den Hund und geh ein paar Schritt Fuß läuft der Hund wie "am Schnürchen" - kaum hat der Besitzer den Hund zurück, läuft wieder ein unmotiviertes Tier an der Leine, frustrierend für den Besitzer und der Trainer kann sich ganz doll fühlen, super Sache das!

Dieses "nimmt der Richtige ihn an die Leine" funktoniert in den meisten Fällen nur kurzzeitig ...

Liebe Grüße
Silke

edit: Hauptaussage meines Beitrags sollte sein: Sobald der Hund seine soziale Sicherheit wiedergewinnt (z.B. nach Halterwechsel), wird sich in den meisten Fällen ein Problemverhalten wieder etablieren, auch wenn sie in der Gewöhnungszeit erst mal verschwunden scheint ...

Habe das gerade wieder bei einem Tierheimhund erlebt. Der Pointer war wegen starker Ressourcenverteidigung mehrmals vermittelt und wieder zurückgegeben worden. Eine Bekannte hat es mit ihm versucht. Anfangs alles toll, nach 4 Wochen hat er ihren Mann zu Hause stramm stehen lassen, weil der an seinem Liegeplatz vorbei wollte. Nach 5 Wochen hat er niemanden mehr an "sein" Auto gelassen. War natürlich blöd, Weil er saß allein drin ...

Die "Experten" des Tierheims hatten nur den Kopf geschüttelt über die Leute, die ihn wieder abgaben, denn sie haben denen gar nicht geglaubt - im Tierheim zeigte er das Verhalten nicht.

Bine

Re: "Leinenaggression"

Beitrag von Bine » Di 12. Apr 2011, 16:14

Wir hatten einen 3kg Hund auf dem HuPl, der sich an der Leine aufführte, wie eine Deutsche Dogge :dog_biggrin .
Wir haben das Problem mit netten,aber selbstsichere Hunden gelöst. Besitzer hält Hund an der Leine, anderer Hund kommt, der Kandidat fängt das Pöbeln an, Leine fallenlassen und Besitzerin musste kommentarlos in die andere Richtung gehen. Erst wäre die Besizerin fast einen Heldentod gestorben, ihr 3kg Hund hatte sich einen DSH Mix, als Opfer auserkoren :dog_biggrin und dann wäre fast der 3kg Hund gestorben, als er merkte er ist allein happy_02
Wir haben das ein paar Mal gespielt, immer nach dem Motto: " Wenn Du Dir die Sache einbrockst, löffelst Du sie auch allein aus `!"
Er ist sehr manierlich an der Leine geworden.
LG Bine

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Re: "Leinenaggression"

Beitrag von Smilla+Finn » Di 12. Apr 2011, 20:57

Bines Methode find ich super. Mein Zwerg pöbelt ja auch mal gerne, aber eher ohne Leine. Ich hab mich umgedreht und weg war ich. Na der war zackig wieder ran.
Seit Smilla pöbelt er wieder etwas mehr, denn sie rennt ja gern mal mit ohne was zu machen. Aber sie ist halt da und so ein AT wirkt ja erstmal beeindruckend. :dog_ph34r
Die Methode jemand anders führt den Hund der "etwas kompetenter" ist, löst das Problem ja meist nur zeitweise wenn der Halter nichts ändert. Meine Arbeitskollegin ist sehr unsicher mit ihrem Hund und hat in vielen Situationen (Jogger, Kinder, Rüden) Angst, das merkt ihr ebenfalls unsicherer Hund und macht natürlich Radau. Wenn ich ihn führe bin ich entspannter und siehe da auch der Hund. Sobald sie die Leine hat geht das Theater von vorne los, weil sie alles wieder macht wie vorher.
Mich würde mal interessieren "Wie reagiert den der Halter in solcher Situation"?

lg rike mit Smilla und Finn
http://airedale-terrier.cms4people.de/index.html

Eddi

Re: "Leinenaggression"

Beitrag von Eddi » Di 12. Apr 2011, 22:07

Hallo,
Smilla+Finn hat geschrieben:Die Methode jemand anders führt den Hund der "etwas kompetenter" ist, löst das Problem ja meist nur zeitweise wenn der Halter nichts ändert
ich denke auch nicht, daß es eine Patent- o Dauerlösung ist.
Man kann nur vielleicht besser analysieren, wo genau das Problem(chen) liegen könnte und der Original-Leinenhalter kann vielleicht daraufhin etwas ändern, was eben sonst nicht aufgefallen wäre. Und er bekommt einen Eindruck von sienem Hund, wenn er "funktioniert". Ist zwar einerseits ein wenig frustrierend, wenn man sich ewig Mühe gibt und ein anderen kommt und macht einfach, aber es zeigt dann zumindest, daß Hundi anders kann und daß am System Änderungen vorgenommen werden können/müssen.
Ich finde, in den meisten Fällen fühlen sich solche Leinenkläffer an der Leine sicher, Herrchen zwangsweise nah genug zur Unterstützung. Oder eben Frust über die Leinenbegrenzung, oder eine Kombination darus. Wenn Hund nun plötzlich allein gelassen in der Situation verbleibt, ist er schnell ganz fridlich und waxckelt lieber Papa oder Mama hinterher. Naja, ein paar freuen sich vielelicht auch über die gute Gelgenheit und gehen dann erst richtig auf den "Gegner" los, obwohl ich das aus eigenerErfahrung noch nicht oft erlebt habe. Eher mal in dem Zusammenhang, daß der Aggressive aus VErsehen aus dem Halsband flutschte, die Leine riß/losgelassen wurde oder so. Dann war er natürlich erstmal frei und konnte loslegen. Aber selbst da waren die meisten dann plötzlich viel kleinlauter.

LG
Eddi

Freddy

Re: "Leinenaggression"

Beitrag von Freddy » Mi 13. Apr 2011, 11:33

Hallo,

ich möchte zwischendurch noch Informationen nachreichen. Das Verhalten des Hundes ändert sich nicht, wenn andere ihn führen.

Auf einem Seminar zur Leinenaggression waren 10 fremde Hunde angeleint auf dem Platz, da hat er keinen Mucks gemacht...
Das soll einer verstehen...

LG
Freddy

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